Jubiläum ohne Jubel

Eine Zeitschrift feiert ihr 30jähriges Bestehen. Es ist |transkript! Hurra, da müssen wir wohl irgendetwas richtig gemacht haben. Die Kollegen in Verlag und Redaktion sind zu Recht „stolz wie Bolle“, wie man in Berlin sagt. Doch zu so einer Erfolgsgeschichte gehören in einer Marktwirtschaft zwei Seiten. Also darf ich Ihnen, liebe Leser, für Ihre langjährige Treue danken. Ökonomisch sind es vor allem die Abonnenten und die Anzeigenkunden, die freie journalistische Arbeit finanzieren – ihnen gebührt ein besonders großes Dankeschön. In Zeiten von Tik Tok Trallala ist das keine Kleinigkeit.
Die nur verhalten fröhliche Überschrift oben hat ihren Grund aber nicht in einem Lamento über die sich verändernde Medienlandschaft, sondern ist inhaltlicher Natur. Hinter |transkript stand schon immer ein publizistisches Anliegen: die Biotechnologie als Kern einer industriellen Revolution voranzubringen, um Wirtschaft und Lebensstil global den natürlichen Gegebenheiten unseres Planeten anzupassen. Und genau da bleibt einem der Jubel dieser Tage im Halse stecken. Angesichts der derzeitigen Nachrichtenflut beschleicht einen das Gefühl, dass wir vor 20 oder 25 Jahren eigentlich schon weiter waren als heute.
Wie das? Schließlich hat die industrielle Revolution in dem früher „rot“ genannten Biotechnologiezweig auf ganzer Linie stattgefunden – heute sind die meisten Pharmainnovationen biotechnologisch. Aber wer weiß das schon?
Viel schlechter sieht es in der „grünen“ Biotechnologie aus. Molekulares Züchten mit CRISPR/Cas und Co. wird in Europa immer noch regulatorisch ausgebremst – tiefverwurzelt ist die Angst vor der „bösen“ Gentechnik in der breiten Bevölkerung. So wirkmächtig waren die Maisfratzen von Greenpeace vor dem Reichstag, einst auch Titelbild bei |transkript. Ähnlich die Lage bei den neuen genomischen Techniken (NGT) im Lebensmittelbereich: Bremsen und Hürden allerorten. Was in Deutschland im Koalitionsvertrag dazu steht, lesen Sie in |transkript.
Bei der industriellen Biotechnologie sieht es auch nicht besser aus. Einst wurde gesagt, dass die in 150 Jahren ausgefeilte Erdölindustrie neue Technologien durch ihre günstigen Preise ausbremst. Dann kam die Klimadiskussion und die Idee der CO2-Bepreisung – jetzt könnte die Biotechnologie entfesselt werden! Nur, wo sind die Angebote? Alles schimpft auf ausbleibende Skalierung und wartet auf Subventionen, aber wo bleibt die Großindustrie mit ihren Möglichkeiten? Die macht lieber weiter mit der Fossilwirtschaft, deucht einem. Und ein eigenes Kapitalmarktsegment für die Biotechnologie gibt es hierzulande nicht (mehr).
Wie ein Turbolader schieben uns alte Männer wie Putin, Xi oder Trump zudem dieser Tage wieder in die falsche Richtung. Natürlich müssen wir unsere Freiheit verteidigen, aber die Zielsetzung verändert sich. Nach einer brandneuen Studie des Umweltbundesamtes ist nur noch knapp die Hälfte der Deutschen (47%) der Meinung, Klima- und Umweltschutz sollten eine übergeordnete Bedeutung für die Energiepolitik haben (2022: 65%). Auch in Verkehr, Wirtschaft und Landwirtschaft geht der Studie zufolge der Anteil der Bürger zurück, die sich eine stärkere Berücksichtigung von Klima- und Umweltschutz wünschen. Damit verliert die ohnehin lahmende Biologisierung der Industrie weiter an Rückenwind. Deshalb feiern wir unseren Geburtstag nur kurz und machen stattdessen unverdrossen weiter.